M3 Interkommunale Mobilität – Freie Fahrt statt Frust

Interkommunale Mobilität – Freie Fahrt statt Frust

Verkehr ist auch immer ein Politikum. Die CDU hat mit einer Kampagne gegen Stau sogar Wahlkampf gemacht und in den Medien kursieren Diesel-Fahrverbote und Berichte von kaputten Straßen und maroden Brücken (#nichtfürlau). Davon, dass es grundlegende Reformen bei der Rentenversicherung und in der Bildung geben muss hört man ständig, aber brauchen wir nicht auch eine radikale Verkehrswende?
In den Betrachtungsebenen der Verkehrspolitik ist die interkommunale Mobilität ein wichtiger Baustein. Viele Pendler*innen in NRW nutzen das Auto, um flexibler zu sein, stehen am Ende jedoch viel zu oft im Stau auf der Autobahn. Die eigentlich logische Alternative – der ÖPNV – erscheint für viele dank zu geringer Taktung, Überfüllung und Unpünktlichkeit zu Stoßzeiten und schlechter Anbindung von Randgebieten und ländlichen Regionen zu unattraktiv und unflexibel. Die Probleme des ÖPNV-Systems sind jedoch vielfältiger. Neben den genannten Basisfaktoren fehlen oft auch zusätzliche Faktoren wie eine komfortable Fahrzeuginnenraum-Gestaltung und die Ausstattung der Sitzplätze mit Steckdosen und WLAN.
Als Pendler*innenland mit großen Metropolregionen und viel ländlichem Lebensraum steht Nordrhein-Westfalen vor der Frage, wie eine nachhaltige interkommunale Mobilität mit neuen Lösungen für die Zukunft aussehen kann. Die Antwort darauf ist mehrschichtig und aus vielen Perspektiven zu betrachten: Sowohl baulich-räumliche als auch kulturelle, psychologische und ökonomische Aspekte spielen neben den für uns immer zentralen sozialen, ökologischen und politischen Sichtweisen eine wichtige Rolle.
POLITISCH: Denken Sie groß!
Zurzeit existieren in NRW vier Tarif- und Verkehrsverbünde. Bei jedem Verbundübertritt gelten andere Tarife und Kund*innen sind meist auf sich allein gestellt, das für sie jeweils richtige Ticket herauszusuchen. Außerdem kooperieren die einzelnen Verkehrsverbünde zu wenig miteinander, um einen besser abgestimmten Ablauf des Regional- und Nahverkehrs sowie günstige Interverbundstarife in NRW gewährleisten zu können. Aber nicht nur bei den erprobten Verkehrsmitteln wie Bus und Bahn, sondern auch bei neuen Ansätzen wie Sharing-Angeboten enden das politische Denken und Handeln oft an der Stadtgrenze. Den Bedürfnissen von Pendler*innen entspricht diese hyperlokale Fixierung natürlich nicht: Benötigt wird ein nahtloser Verkehr innerhalb und eben auch zwischen Kommunen, wofür eine ausgeprägte interkommunale Zusammenarbeit notwendig ist.
SOZIAL: Mobilität ist ein Grundrecht!
Obwohl 60 % der Menschen auf Pendeln angewiesen sind, nimmt sich bislang keine Partei dieser Gruppe ausdrücklich mit wirksamen Konzepten an und erklärt Pendler*innen zur Zielgruppe politischen Handelns. Für uns Jungsozialist*innen ist das Ziel der Verkehrspolitik stets, die Sicherung individueller Mobilität mit einem ökologischen Umbau des Verkehrssystems in Einklang zu bringen. 60% der Menschen in NRW sind Pendler*innen. Da wir ihre Mobilität garantieren und ökologischer gestalten wollen, muss die von uns gewollte drastische Minderung der Kfz-Nutzung mit einer wesentlichen Stärkung des ÖPNV einhergehen. Die angestrebte Verkehrswende muss besonders mit den Interessen der finanziell schlechter Gestellten in Einklang gebracht werden. Gerade wir Sozialdemokrat*innen müssen Pendler*innen als Zielgruppe für Querschnittspolitik sowohl über Politikfelder (Verkehrspolitik, Arbeitsmarktpolitik, Sozialpolitik) als auch ökonomische Gruppen hinweg verstehen. Mobilität ist längst zu einer sozialen Frage geworden. Finanziell schwächere Gruppen werden in den Großstädten zunächst aus ihren angestammten Stadtquartieren verdrängt und müssen daraufhin weitaus größere Distanzen überwinden um ihrer Erwerbstätigkeit nachzukommen. Wie kann eine sozial gerechte Antwort auf die Mobilitätsfrage dieser Menschen aussehen?
Vor Ort müssen wir Mobilität als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge wahrnehmen, überregional den sozialen Aspekt von Mobilität mittels Ausweitung des Solidaritätsprinzips bei der Finanzierung von Fahrtickets anvisieren. Beim Um- und Ausbau jeglicher mobilitätsbezogenen Infrastruktur sind selbstverständlich die Lebensrealitäten mobilitätseingeschränkter Menschen zur Sicherung derer gleichberechtigten Teilhabe mitzudenken und entsprechend einzuplanen. Auch ein Recht auf Home-Office, wie es auch der DGB fordert, bildet ein Anknüpfungspunkt für die Politik.
ÖKOLOGISCH: Grüner wird’s nicht!
Aus ökologischer Sicht bedingen der Berufsverkehr und insbesondere die täglichen Stauereignisse erhebliche negative Umweltauswirkungen. Wie können wir es schaffen, diese zeitlichen und räumlichen Ballungen zu mindern oder gar zu verhindern? Schienengebundener Verkehr ist in der ökologischen Bilanz dem KFZ-Individualverkehr immer vorzuziehen. In der verkehrssoziologischen Diskussion spricht man oft vom Problem der letzten Meile. Dabei ist der Weg vom Wohnort zum Bahnhof eine Hürde beim pendeln, weswegen dann doch auf das Auto zurückgegriffen wird. Damit nicht der ganze Weg mit dem PKW zurückgelegt werden muss, können entsprechende Park&Ride-Angebote dazu beitragen, dass mehr Menschen auf die Schiene umsteigen. Dabei können Konzepte aus den Niederlanden als Beispiel gelten, bei denen das Abstellen des Autos am Stadtrand mit einem günstigeren ÖPNV-Ticket belohnt wird und eine gute Taktung die Menschen ins Zentrum befördert. Auch ein Städtisches Engagement bei der Etablierung und Infrastruktur von Sharing-Angeboten sind dabei wünschenswert.
DIGITAL: Nicht nur Datenautobahn
Kollektive Individualität der Mobilität bzw. multimodale Mobilität zielen auf eine effiziente Nutzung des bestehenden ÖPNV-Angebotes ab. Seht ihr Potentiale für den Pendler*innenverkehr bspw. in Buslinien, die keine festen Routen, sondern auf Basis digitalisierter Prozesse und Daten individuelle Destinationsorte der Fahrgäste ansteuern?
Die Vorteile moderner Mobilität lassen sich insbesondere durch Vernetzung nutzen. Daher zielen wir nicht nur eine Harmonisierung der unterschiedlichen Mobilitätsarten an, sondern setzen uns auch für die Freigabe der von den Städten und den Städtischen Unternehmen und Gesellschaften gesammelten verkehrsrelevanten Daten ein. Dies soll im Sinne des OpenData-Gedanken geschehen, also im Rahmen eines offenen Verkehrsdaten-Portals des Landes. Die dort zur Verfügung gestellten Daten können beispielsweise für Verkehrs-Apps genutzt werden.

 

    • Mit diesem Antrag wollen wir die Leitlinien für eine ausführlichere Debatte in unserem Verband und der Partei definieren und die Diskussion über interkommunale Mobilität anstoßen. Doch bereits jetzt fordern wir den SPD Landesvorstand NRW, die SPD Landtagsfraktion sowie weitere Gremien der SPD auf:

 

    • Einen runden Tisch aller NRW-Verkehrsverbünde einzuberufen, der eine Gesamtstrategie für den Nahverkehr in NRW aufstellen soll und kurzfristig die Weichen für einen massiven Ausbau der Zusammenarbeit der einzelnen Verkehrsverbünde stellt.

 

    • Langfristig darauf hinzuwirken, dass nur noch einen Verkehrsverbund für ganz Nordrhein-Westfalen existiert.

 

    • Sharing-Angebote wie Bike – Sharing oder Car-Sharing stärker als bisher zu fördern, aber auch Leitlinien für deren Gebrauch und ihre Anbieter zu erarbeiten.

 

    • Einen runden Tisch zu initiieren, an dem sich Sharing-Anbieter und Nahverkehrsunternehmen abstimmen sollen, wo was angeboten werden kann, um Doppelstrukturen entgegenzuwirken und eine sinnvolle Ergänzung des ÖPNV-Angebotes zu realisieren.

 

    • Die Zusammenarbeit und das Zusammenwirken von unterschiedlichen Verkehrsträgern und -gruppen zu fördern und weiterzuentwickeln

 

    • Die Bundes- und Landesregierung aufzufordern, dass der Schiene mittel- und langfristig mehr Mittel zum Ausbau zur Verfügung stehen, sodass eine Verkehrswende des Warenstroms von der Straße auf die Schiene ermöglicht werden kann.

 

    • Einen Prozess in Gang zu setzen, der Leitlinien für das autonome Fahren auf den Weg bringt.

 

  • Ein Leitbild “Zukunft des Verkehrs in NRW” mit möglichst breiter Mitgliederbeteiligung sowie unter Zuhilfenahme von Expert*innen zu entwickeln und den Parteigremien nach Abschluss zur Abstimmung vorzulegen, welches Eingang in das Wahlprogramm für 2021/2022 finden soll.